Eine freche wilde Hummel auf der Suche nach einer neuen Familie

 

Fandango Emil war genau wie Barnabas Baron überhaupt nicht geplant. Beide knallten in unsere Familie und stellten unser Leben komplett auf den Kopf.

 

Irgendwann im Februar 2016  bekam ich einen Anruf von Julia, dass es leider noch einen reinrassigen Gosrüden gäbe, der zwar noch in Pension wäre, aber bis Mitte März dann definitiv dort weg müsse. Fandango Emil, so hieß der Bub. Ihn hatte ich schon durch Postings bei Facebook gesehen. Ich habe Julia gesagt, dass ich mir mit Perro schon ein Kuckuckskind ins Haus geholt hätte, würde aber helfen, wenn sich bis März keiner finden würde für ihn.

Meine Hoffnungen lagen immer noch darin, dass Fandango Emil von der frechen wilden Hummel (gerufen Emil), eine Familie finden würde und so den Weg zu uns nicht nehmen müsse.

Leider falsch gehofft und Emil zog Mitte März 2016 bei uns ein. Seine Familie brachte ihn zu uns.

Da stand er nun bei uns im Hof, mit Maulkorb und total eingeschüchtert. Jeglicher Versuch von unserer Seite, Vertrauen aufzubauen, wurde mit Knurren und Weglaufen bestätigt. Er fraß am ersten Abend nichts. Ich mache mir da keinen Kopf, denn so  stressbedingt mager wie er war, war dies bestimmt nicht der erste Abend, wo er  hungrig schlafen ging. Er solle gebissen haben, dass wussten wir und am 2. Tag bestätigte er auch gleich sein Verhalten. Kersten wollte ihn mal kurz streicheln, da sprang Emil gleich an ihm hoch und nur der Maulkorb verhinderte Schlimmeres. Es kam Arbeit auf uns zu, das war uns klar und ich wollte ihm die Chance geben.

Zu unseren Clubtreffen im April 2016  nahmen wir ihn mit, denn es war mir doch zu heikel, einen recht aggressiven Hund bei meinen Sohn zu Hause zu lassen. Bei dem Treffen lernten wir dann die sehr schlechte Seite von Emil kennen.

Julia wollte sich um den Burschen an diesem Wochenende kümmern und nahm ihn nach einem Spaziergang vor dem Abendessen kurz mit zu sich aufs Zimmer. Ich wollte nur was aus meinen Räumen holen und ließ die beiden kurz allein, da biss er ihr in den Oberarm. Zum Glück hatte sie eine dicke Jacke an, aber der Arm zeigte trotzdem Bissspuren und verfärbte sich sogleich lila-blau.

Zur Sicherheit für alle trug Emil an diesem Wochenende nur noch Maulkorb. Uns und auch anderen Teilnehmern fiel besonders auf, dass sich Emil immer hinter mir oder meinen Mann versteckte, wenn man ihn ansprach - oder aber er ging direkt in die Leine nach Vorne. Das restliche Clubwochenende verlief ruhig, Emil war in unserer Obhut und er verhielt sich für diesen Zeitpunkt normal, wenn wir dabei waren.

 

Zu Hause angekommen wurde ein Termin in einer Tierklinik gemacht, denn wir wollten ausschließen, dass Emil unter irgend etwas litt, was sein aggressives Verhalten hervorruft.

Er biss ohne Vorwarnung zu, es gab kein Knurren, einfach keinerlei Reaktion.

 

Die Tierklinik fand im CT nichts, keine auffallenden Unregelmäßigkeiten in seinen Hirn, am Rücken oder Nacken.

Also blieb als Ursache die Vermutung, es läge alles an einer Verhaltensstörung und nun hieß es, daran zu arbeiten, wollte er doch noch seine Familie finden.

 

Gute Hundetrainer sind in unserer Gegend leider rar, aber ich hatte Glück und fand eine kompetente Hundetrainerin, die mit Emil arbeiten wollte.

 

Durch viele Gespräche mit seiner ehemaligen Familie vermuten wir heute, dass diese unbewusst ihm das Knurren und Vorwarnen abgewöhnt haben könnten.

Das könnte der Grund sein, dass Emil deshalb zuschlug wie der Blitz aus dem Nichts.

 

Leider machten wir in den nächsten Monaten auch mehrfach Bekanntschaft mit Emils Zähnen, jeder meiner Familie hatte diesen  Hund irgendwo an sich „hängen“. Mein Mann hatte Emil an der Hand und rechte Körperseite hängen, mein Sohn hatte Emils Zähne am Arm kennengelernt und selbst ich hatte Emil  am Bein. Zum Glück allerdings alles nur leichte Vorfälle.

 

Wir lernten aus diesen Situationen, dass Emil nicht mit Grenzen umgehen konnte.

Und bei uns gab es eben Grenzen und Regeln, denn sonst hätten wir hier Chaos.

 

Diese Regeln akzeptierte Emil im Laufe der Zeit  weitesgehend.

 

Ich glaube fast, er war ganz froh,  dass er die Führungsrolle endlich abgeben  durfte.

Wir arbeiteten viel mit Emil und der Trainerin, denn bei ihm galt es, sein Vertrauen in die Menschen wieder herzustellen. Denn dieses Urvertrauen war irgendwann verloren gegangen.

Alles musste er vorher selbst regeln.

 

Unser Weg hat noch kein Ziel gefunden, aber wir freuen uns jedes mal, wenn Emil von sich aus auf fremde Menschen zugeht und diese um Streicheleinheiten anbettelt. Letztens beim Hundefriseur hat er sogar die Friseuse auf Hundeart „geküsst“.

Trotz der tollen Fortschritte gehen wir mit ihm  nur mit Maulkorb unter die Leute, zu groß wäre das Risiko, dass Emil auch heute noch ohne Knurren zuschlägt.

 

Auch müssen wir ihn überall mit hinnehmen, was manchmal nicht so einfach ist, hat man doch noch andere Hunde, die auch Aufmerksamkeit wollen.

 

Aber wir haben Angst, dass er beißen würde, wenn wir nicht anwesend sind, denn seine Bindung zu uns ist enorm.

 

Die einzige Baustelle, die wir nicht aus ihm herausbekommen, ist leider seine Sucht nach Bällchen. Er liebt alles, was rund ist und nervt uns schon an manchen Tagen.

 

Wir haben einen Treibball, den bekommt er ab und an und er liebt es, diesen Ball nach Hütehundmanier zu hüten. Aber dieser Sport fällt wegen seiner Sucht aus.

Letztes Jahr im Sommer  haben wir mit ihm Mantrailling begonnen und das führt Emil mit Begeisterung aus. So üben wir auch den Umgang mit ihm unbekannten Menschen.

 

Obwohl Emil überhaupt nicht geplant war, haben wir es nicht bereut, ihm eine Familie zu geben. Es ist halt bei ihm eine Gratwanderung, wie weit kann man bei ihm mit Grenzen setzen gehen, ohne selbst zu Schaden zu kommen.

 

Der Gos d'Atura Català ist kein einfacher Hund, auch wenn diese Hunde oftmals als Anfängerhunde angepriesen werden. In den falschen Händen mutieren diese hübsch anzusehenden Wuschel zu gefährlichen Waffen, die zu allem bereit sind.

 

Kersten und Evelyn Voigt